Musizieren statt präsentieren

Ich hänge vorm Pantoffelkino und gucke Queen, live! Der Reporter bemüht sich redlich, die Rituale dieser weitgehend wortlosen Veranstaltung „Staatsbesuch“ korrekt zu benennen und mit Bedeutung zu umhüllen. So würden Queen und Bundespräsident nunmehr vor der uniformierten Kapelle Aufstellung nehmen und die Hymnen anhören. Verstanden! Anschließend, erfahren wir TV- Zaungäste, werden sich beide Herrschaften in Bewegung setzen und zu den Klängen des „Preußischen Musiziermarsches“ die Ehrenformation der Bundeswehr abschreiten.

Wie bitte? Wenn die das spielen, was bei derlei Anlässen mit schöner Regelmäßigkeit zu hören ist, dann handelt es sich um das Schinderassa-Bumm der „Preußischen Präsentiermarsches“. Ein „Preußischer Musiziermarsch“ ist weder im Notenschrank noch im Staatsbesuch-Drehbuch nicht zu finden.
Ein Versprecher nur, ein unschädlicher zumal. Vielleicht ist der Queen- Kommentator in der Manöverkritik seiner Redaktion hinterher darauf hingewiesen worden. Vielleicht hat es so gar ein paar Anrufe traditionsbewusster Senioren beim Sender gegeben. Ich war nicht darunter.

Was mir auffällt, was mich amüsiert, was mich hoffnungsvoll stimmt: reichlich hundert Jahre nach Kaiser Wilhelm, 80 Jahre nach dem schrecklichen Militarismus des Nazistaates, ist eines seiner prominenten Rituale, eben dieser „Preußische Präsentiermarsch“, kein derart in Erz gegossener Begriff mehr, dass er vor sprachlichen Ausrutschern sicher wäre. Die schimmernde Wehr zu präsentieren ist keine Geste mehr, die dem durchschnittlichen Bundesbürger besonders am Herzen läge. Da kann es in der Hektik der Live-Reportage schon mal zu einem kreativen Versprecher kommen.

Die geschichtserfahrene Queen wird wissen, dass dieser Marsch zu Zeiten ihrer Urgroßmutter Victoria ihrem Land eins ums andere mal in nicht gerade friedfertiger Gesinnung entgegen trompetet worden ist. Aber Preußen ist immerhin nicht Hitler. Dessen Lieblingsmarsch, der sog. Badenweiler, ist nur noch illegaler Ohrenschmaus ewig Gestriger, eine unerträgliche Kakophonie. Und das hat nichts mit den Noten zu tun.
Warum das Staatsbesuchs-Protokoll den „Preußische Präsentiermarsch“ 2015 für die passende rituelle Musik hält, wäre interessant zu erfahren. Musizieren statt präsentieren ist aber vielleicht nicht nur ein Versprecher, sondern das passendere Willkommen.

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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