Dividende für „Brot für die Welt“-Spender-innen

Als John F. Kennedy die Beziehungen zu Fidel Castros Kuba kappte, kannte ich meine Frau noch nicht. Das will etwas heißen, wenn man sich erste Gedanken über die bald anstehende Goldene Hochzeit macht. Länger als ein halbes Jahrhundert stand die staats-sozialistische Insel vor der US-Küste in der weltpolitischen Schmuddelecke. Vor allem das menschenrechtliche Sündenregister des Regimes diente als Begründung. Da konnte das arme Kuba vergleichsweise erfolgreich Gesundheitsdienste, Schulwesen und anderes organisieren. Kuba blieb der böse Bube, weil das Weiße Haus es so wollte und weil Brüssel bzw. nacheinander Bonn und Berlin es sich mit den wechselnden Hausherren nicht verderben wollten. Jetzt lässt Barack Obama uns wissen, dass das Ganze eigentlich schon lange überholt ist. Das wüssten ja wohl alle!
Die politische Entrümpelungsaktion im Weißen Haus wirft wieder mal ein Licht auf die Erträge langfristiger Partnerschaftsarbeit von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, die sich nicht den Kommandos des politischen Zeitgeistes fügen. Ich erinnere mich ziemlich heftiger Diskussionen im zuständigen Gremium des Hilfswerkes „Brot für die Welt“ gegen Ende des letzten Jahrhunderts. Sollen wir es kubanischen Kirchen ermöglichen, in ihrem Land Ansätze biologischer Landwirtschaft und alternativer Energiegewinnung zu unterstützen – wo doch die Partei überall die Finger im Spiel hat? Wird uns eine solche Bewilligung nicht zu Hause von der Politik und Teilen der Kirche um die Ohren gehauen? Wir haben Herz und Verstand über die Hürde geworfen, gegen das damalige politische Credo.
Im Blick auf Vietnam liefen die Diskussionen und Entscheidungsprozesse nach Ende des entsetzlichen Krieges ähnlich. Auch hier hat es Zeit gebraucht, bis unsere Kirchen und Hilfswerke, auch die Aktion „Brot für die Welt“, sich ohne Misstrauen auf einheimische Partner eingelassen haben, die natürlich auch mit den Behörden des kommunistischen Staates verkehren mussten. Die mühselige, mitunter hitzige Diskussion der Präzedenzfälle hat sich gelohnt. Auch in Vietnam gehörte „Brot für die Welt“ zu den Türöffnern, die eine neue Art von Beziehungen auch unter den Mächtigen erleichtert haben.
Spendengelder, verstanden als langfristige Zukunftsinvestitionen, haben haben auch in Vietnam eine Dividende in Sachen Versöhnung und Frieden eingebracht, über erfolgreiche Entwicklungsvorhaben hinaus.
Die Gerechtigkeits- und Friedensdividende für Brot für die Welt-Spender-innen wird auch anschaulich, wenn man die Ehrentafeln der um das Wohl der Menschheit verdienten Frauen und Männer liest. A.D. 2014 waren es z.B. Kailash Satyarthi, indischer Träger des Friedensnobelpreises, über Jahrzehnte erfolgreicher Kinderrechtsaktivist und Denis Mukwege aus Bukavu, Kongo; Träger des Sacharow-Preises des EU-Parlaments; weltweit gerühmt als ärztlicher und menschenrechtlicher Anwalt der Frauen und Mädchen, die in den Kongokriegen systematisch vergewaltigt werden.
Beide waren „Brot für die Welt“-Partner, lange bevor die Welt sie kannte; sie und eine stattliche Liste von Träger-innen des Friedensnobelpreises und des Alternativen Nobelpreises. Alle – wohlgemerkt „Brot“- Partner-innen, bevor die Welt von ihnen Notiz nahm. Nahezu Jahr für Jahr tauchen weitere Namen von Frauen und Männern aus der ökumenischen Partnerinnen-Gilde unserer Kirche auf dem Laureatenlisten der Menschheit auf – und mit ihnen die Konzepte und Bewegungen, für die ihre Namen stehen. Dann liegt die eigentliche finanzielle Zusammenarbeit oft schon manches Jahr zurück. Man hat womöglich gar nicht mehr ständig miteinander zu tun. Aber es zeigt sich wieder einmal, dass sachkundige, energische und feinfühlige Frauen und Männer in den Arbeitsstäben unserer Kirche lange vor der Zeit kostbare und für uns alle lehrreiche Partnerschaften zu knüpfen vermochten, deren Früchte heute Bewunderung finden.
Selbst meine ehrenamtliche Geschichte mit der Aktion „Brot für die Welt“ reicht aus, dass ich eher zwanzig als zehn dieser Hoffnungsträger-innen über die Jahre begegnen konnte. Es gibt sie also wirklich.
Und ich kenne die Kumpel und die „Kumpelinen“, die auf unserer Seite die Fäden geknüpft haben. Ich weiß wie heute, wie schwer sie es mitunter hatten, ihre innovativen Partnerschaftsvorschläge in unseren Gremien durchzusetzen. Aber sie lagen sehr oft richtig. Einer von ihnen war Werner Rostan, der unserer Kirche half, aus dem Kuba-Boykott auszubrechen. Sein Name soll wenigstens unter denen, die genauer hinschauen, unvergessen sein. Anderen aus meiner Altersklasse wünsche ich ein gutes und erkenntnisreiches A.D. 2015.
Und unseren Spenderinnen als ökumenischer Anlageberater noch mal der Zuruf:
„Brot für die Welt“ lohnt sich!

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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