Ein „…zid“ für Deutschlands Bienen

Welches unserer Nutztiere bringt es auf die größte Individuen-Zahl? Nicht nur ich, auch Sie werden einen Augenblick nachdenken müssen. Da sind die riesigen Legehennen-Ställe, die Schweinemast-Fabriken, Milch- und Kälbermast-Unternehmen. Wie viele Kreaturen leben da zusammengedrängt auf engstem Raum, schätzungsweise? Die Frage ist etwas gemein. Denn natürlich gewinnt keine der aufgezählten Arten, sondern die Honigbiene. Bei nahezu einer Million Bienenvölker allein in Deutschland, jedes Volk so um die 50.000 „Majas“, das bringt einen gewaltigen Vorsprung.

Sagen Sie jetzt nicht, Sie mögen keinen Honig. Sie süßen ihre Leckereien mit Zucker, oder neuerdings mit kalorienfreiem Stevia. Klar, unsere cleveren Ahnen sind Bienenzüchter geworden, weil Zuckerrohr und erst recht Zuckerrübe noch tausend Jahre auf ihre Entdeckung warten mussten. Aber ihr Erfahrungswissen sagte ihnen auch, dass sie den Bienen nicht nur Honig und Wachs verdankten, sondern auch einen guten Teil der Ernten – so wahr die Sache mit dem Sex auch im Pflanzenreich vorgesehen ist, wie wir heute wissen. Ein großer Teil aller Bäume und Nutzpflanzen weltweit ist auf die unfreiwilligen Bestäubungsdienste der Bienen angewiesen, rund um den Erdball.

UNO, EU, auch deutsche Behörden, von den Umweltverbänden ganz zu schweigen, sind deshalb Anfang 2013 im Alarmzustand. Allein in Deutschland registrieren die Imker den plötzlichen Tod von nahezu einem Drittel aller Bienenvölker, rund 300.000 an der Zahl. Die Folgen sind noch unabsehbar. Aber sie stehen uns nicht irgendwann ins Haus, so wie manche Klimafolgeschäden, sondern umgehend, ohne Galgenfrist.

Wie haben wir uns das eingebrockt? Ein Teil der Antwort heißt wahrscheinlich „Neonicothinoide“. Mit meiner Raucher-Vergangenheit kann ich mir diesen Fachausdruck der Chemischen Industrie gut merken. Neonicothinoide sind Pestizide, mit denen z.B. Mais-Saatgut behandelt wird. Wie das Leben so spielt, bleiben diese Agrargifte nicht akkurat auf Deutschlands riesigen Maisfeldern kleben. In riesigem Umkreis gelangen sie überall hin, wo Majas Schwestern unterwegs sind. Blühender Mais wird natürlich zur schlimmsten Todesfalle. Wie die Silbe „..zid“ im Wort Pestizid sagt, ist die Wirkung tödlich. Die Folge: ganze Bienenvölker sterben. So urteilen Fachleute. Absolut unschädlich, sagen Hersteller und Anwender. Aber selbst die große Politik glaubt ihnen nicht mehr.

Ein Teufelskreis schließt sich: Maiswüsten unter einer Chemieglocke. Vieles davon bestimmt für die Illusion vom „Biosprit“. Tödliche Nebenwirkung. Drohender Zusammenbruch biologischer Kreisläufe, auf die Menschheit angewiesen bleibt, solange sie weiterleben will.

Menschen brauchen Bienen. Aber Bienen brauchen auch Menschen. Menschen, die von Bienen etwas mehr Ahnung haben als neulich meine Nachbarn vor dem Straßencafé. Ein sonniger, warmer Herbsttag, Pflaumenkuchenzeit. Plötzlich ein Wutschrei: „Gib mir mal dein Deo! Damit kann ich die Terrorbienen vertreiben.“ Die Wespen, kleine Raubinsekten, hat das wohl wütend gemacht. Denn kurz darauf war hastiges Stühlerücken zu hören.

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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