Kein „Asylat“ – nur ein Schreibfehler?

Die Kamera wischt nur kurz über die Hauswand der abgefackelten Flüchtlingsunterkunft im bayrischen Vorra. Die Fernsehredaktion will wahrscheinlich ihrer Berichtspflicht genügen, ohne den Tätern zu viele Sekunden Sendezeit einzuräumen.
Aber die wenigen Augenblicke genügen, um ihre über das Hakenkreuz-Firmenlogo hinausgehende Botschaft mitzulesen: „Kein Asyla..t“. Kein was? Fehlt da ein Buchstabe? Oder, schießt es mir augenblicklich durch den Sinn, war da jemand wortschöpferisch tätig? Ein Asylat kennt das deutsche Flüchtlingsrecht wohl kaum. Da ist von Asyl, von Asylbewerbern, Asylrecht, im glücklichen Fall von Anerkennung als politischer Flüchtling die Rede. Aber Asylat? Nie gehört.

Also bleiben die Hast des Fanatikers mit der Spraydose, oder eine Wortschöpfung, die sich seit einigen Monaten anbieten könnte. Seit die mordenden IS-Banden im Juni ihr Kalifat mit dem schrecklichen Theologen Abu Bakr al-Bagdadi an der Spitze in die Welt gepostet haben. Ihr Kalifat, also einen nostalgischen Gottesstaat mit einem Theokraten an der Spitze, gegen dessen Machtanspruch auch die machtgierigsten Päpste unseliger Kirchengeschichte Waisenknaben bleiben.
So ein überirdischer Machtanspruch, unterlegt mit einer Tag für Tag erneuerten Blutspur, macht Angst, völlig egal ob Halbmond, Kreuz, sonstige Gottheiten oder säkulare Wahnvorstellungen den Vorwand liefern. Die Kalifate des frühen Islam im 7. und 8. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung sind auch in der heutigen Stimmungslage nicht mit ein paar flapsigen Bemerkungen abzutun. Aber mit dem Horror-Kalifat des IS kann die Welt nicht leben, angefangen bei den Muslimen, die unter seine Knute geraten.
Wenn der Sprayer von Vorra also nicht hastig, sondern tatsächlich wortschöpferisch am Werke war, dann ist ihm eine Perversion gelungen, die seines Lehrmeisters Joseph Göbbels würdig gewesen wäre. Aus Wehrlosen, Schutzbedürftigen, Schuldlosen Verschwörer mit einer Teufelsfratze machen, das hat er vorexerziert; seinerseits an unseren jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn. Keine Lüge, keine Verleumdung, kein Fake, keine „Stürmer“-Widerlichkeit, die er nicht benutzt hätte, bis ihm ein großer Teil des Volkes sein Phantom von der jüdischen Weltverschwörung abgenommen hat.

Hakenkreuzschmierer, die ein „Asylat“ als tückischen Ableger vom IS-“Kalifat“ an die Wand sprühen, wären seiner würdig, was Propaganda-Talent und mörderischen Fanatismus angeht. Nichts wäre weiter weg von der Wirklichkeit gegenwärtiger Flüchtlingsschicksale. Aber das hat schon die Original-Nazis im Blick auf die Juden nicht gestört.
Ihre Urenkel könnten versuchen, das Göbbels-Rezept nachzukochen. Aus den „Weisen von Zion“ würde dann eben ein „Asylat“. Hirnrissige Pseudobeweise für die drohende Machtübernahme durch eine Flüchtlingsguerilla werden sich schon zusammen schmieren lassen. Man muss eine Hassparole nur oft genug wiederholen, damit sie follower findet, würde sich Reichsleiter Dr. Göbbels heute wiederholen.
So hoffe ich sehr, dass der Hakenkreuzler von Vorra wirklich nur in Eile und ein wenig im Dunkeln gewirkt hat. Aber unmöglich ist wenig. Und auch die Parole „Kein Asylant“ wäre völlig aus der Zeit gefallen.

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
Dieser Beitrag wurde unter Flüchtlinge abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.