Von Neil Armstrong bis „Philae“

Mr. Armstrongs Mondfahrt AD 1969 hat mir immerhin den ersten eigenen Fernsehapparat beschert, gerade noch rechtzeitig ins Haus gekommen, zum 20. Juli. Ein verschlafenes sechsmonatiges Söhnchen auf dem Schoß, konnte ich mich so in die globale Zeitzeugenschaft des vermeintlichen Jahrhundertereignisses einreihen.
Im Rückblick will mir scheinen, das Knäblein hat das Super-High-Tech-Happening jener Nacht intuitiv richtiger einsortiert als wir mondsüchtigen Erwachsenen: vom Sommer 1969 bis in den Herbst 2014 haben sich die wirklich dramatischen Dinge nicht im erdnahen Weltall, sondern in unserer irdischen Heimat abgespielt: Raubbau und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen in historisch nie zuvor gekanntem Ausmaß – bei zeitgleicher Verdoppelung der Menschheit; beispiellose Ausbreitung von Massenvernichtungswaffen aller Kategorien, zuzüglich mordeffizienter Kleinwaffen auch für Kinderhände; zunehmende Entmündigung von Bürgern und Politik durch die Herren des Mammon. Ihre Neuinszenierung lokaler und globaler Sozialkonflikte lässt Karl Marxens Kapitalisten des 19. Jahrhunderts alt aussehen.
Und unsere Damen und Herren Astro- bzw. Kosmonauten werden sich darüber im Klaren sein, dass sie ihren Traum vom Fliegen immer schon nur als direkte oder indirekte Gehilfen des Militärs träumen konnten.
So war die teure Kurverei vor der irdischen Haustür für mich die letzten 45 Jahre lang eine interessante, manchmal sehr spannende, einige Male auch schmerzlich bewegende Nebensache, nicht mehr.
Warum ist das jetzt, im November 2014, mit der Landung eines automatischen Labors namens „Philae“ auf dem Kometen „Tschuri“, nach zehn Jahren Flug und einer Strecke, die die Mondtour zum Katzensprung degradiert, auf einmal ein wenig anders? Die Sache bewegt mich tatsächlich. Nicht zuerst wegen der technischen Spitzenleistung. Schon gar nicht, weil Landsleute da mit gefummelt haben. Eher schon, weil einem völligen Laien wie mir, dabei klar wird, dass auf die Himmelmechanik die uns umgibt, einigermaßen Verlass sein muss. Die Flugbahn eines fernen Kometen lässt sich offensichtlich verlässlicher prognostizieren, als der Lauf des Rheins in ein paar tausend Jahren.
Nein, wirklich kribbelig machen mich die wiederholten Kommentare zu Sinn und Verstand des Unternehmens. Es gelte herauszufinden, ob Kometen wie dieser „Tschuri“, vor Jahrmilliarden gegen die unbelebte Jungerde gebumst wären und so chemische Verbindungen frei Haus geliefert hätten, die sich später als Bausteine des Lebens erweisen sollten. Leben, aus den Tiefen des Alls importiert, oder doch hausgemacht in der irdischen Ursuppe?
Überflüssig zu sagen, dass ich naturwissenschaftlich zur Antwort nichts beitragen kann. Ich verstehe ja noch nicht einmal die Frage, angesichts all dessen, was bestimmt mit gemeint ist.

Was mich bewegt, ist die Entdeckung, dass das Rendezvous von „Philae“ und „Tschuri“ meiner Liebe zu den biblischen Schöpfungsgeschichten von Erde und Himmelfeste bzw. der Oase Eden keinerlei Abbruch tut, nicht die Bohne. Das hat noch kein naturwissenschaftlicher Lernschritt bewirkt, den ich in Jugend und Erwachsenenleben zu gehen hatte. Weder die wahrhaft aufklärenden Beobachtungen des auch-Theologen Charles Darwin; noch das Netzwerk der Genetik, das uns mit unseren Mitgeschöpfen verbindet; noch die einigermaßen allgemeinverständlichen Basisinformationen über Stand und Wesen des Kosmos.

Je maß-loser das leblose Universum zu werden scheint, umso mehr enttarnen sich die biblischen Schöpfungsgeschichten als das, was sie sind: als Liebesgeschichten, die sich nicht pressen lassen in die Nüchternheit eines Laborberichtes. Das haben Liebesgeschichten so an sich, weshalb wir sie so lieben und so gern erleben.
Und wenn sich das umgefallene „Philae“-Labor auf dem kosmischen Steinhaufen fast ohne Anziehungskraft doch noch bekrabbelt und seine Analysen abspult? Gar mit dem Ergebnis: „Lebensmittel an Bord“? Dann würde ich die liebevolle Macht, die wir mit dem Menschenwort „Gott“ benennen, der Jesus sehenden Auges vertraute, umso mehr bewundern. Erst aus dem Kosmos per Express das Starter-Set kommen lassen – und dann all die wunderbaren dramatischen Prozesse, die ich mir hinter den Bildern der Sieben Tage und/oder des Gartens Eden vorstellen darf! Oder vielleicht doch noch anders, wenigstens in wichtigen Nuancen? Meine Enkel sollen schließlich auch noch ihre Sensationen erleben.

Damit das möglich bleibt, behält der Schauplatz Erde allerdings seine Priorität. Nur hier ist Leben eine klare Sache

14.11.14

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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