Weltwassertag – die Bibel hilft, ihn besser zu verstehen


 Ich war eine Leseratte. Aber längst nicht alles, was ich als Junge verschlungen habe, sitzt heute noch locker abrufbar im Gedächtnis. Ein paar Geschichten vom Verdursten schon! Ich erinnere mich an die Schilderung eines Flugzeugabsturzes in der australischen Wüste oder an ein Drama von Schiffbrüchigen, die in letzter Verzweiflung wider besseres Wissen Meerwasser trinken. Der Zehnjährige, der solche unter die Haut gehenden Schilderungen intus hat, hat eine grundlegende Lektion über das Leben gelernt:

ohne Nahrung können wir Menschen recht lange überleben. Ohne Wasser ereilt uns nach wenigen Tagen der Tod. Wasser ist und bleibt das Lebensmittel Nr.1. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass das Völkerrecht das Menschenrecht auf Wasser heute behandelt als Bestandteil des Menschenrechtes auf Nahrung. Richtig ist auch, dass etliche christliche Gemeinden in Deutschland den Weltwassertag der UNO am 22. März in ihren Kalender aufgenommen haben.

Denn der Zugang zu und die gerechte Verteilung von Wasser sind eine der Schicksalsfragen dieses Jahrhunderts. Wohl verstanden, ist die Wasserfrage also eine Glaubensfrage.

Die völlig alltägliche Verfügbarkeit von ausreichendem, sauberem und bezahlbarem Wasser betäubt unvermeidlich unser Empfinden für Wert und Knappheit des wichtigsten Lebensmittels.

Da kommt uns sehr zu Hilfe, dass unsere Bibel im Nahen Osten entstanden ist; in einer Weltgegend, in der die Menschen seit jeher klug und verantwortungsbewusst mit Wasser umgehen mussten.

Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass die Wasser des Flusses, in dem Jesus sich taufen ließ, auch heute erbittert umstritten und nicht gerecht aufgeteilt sind.

Eines der ersten Segensbilder der Bibel findet sich in der Geschichte von der Paradies-Oase. Vier Flüsse fließen von dort in die Welt der Menschen und ihrer Mitgeschöpfe. In die Sprache unserer Landkarten übersetzt, sind das wahrscheinlich der Nil, der Indus oder der Ganges, Euphrat und Tigris. Die Aufzählung als solche, ohne weitere feierliche Worte, transportiert den Schöpfersegen: wo kein Wasser fließt, wo kein Regen fällt, ist Wüste.

Die erste biblische Durstgeschichte passiert denn auch in der Wüste: Israels Stammvater Abraham hat seine Nebenfrau Hagar mitsamt ihrem Sohn Ismael verstoßen. Er schickt sie buchstäblich in die Wüste, um Erbstreitigkeiten mit seinem und Saras Sohn Isaak auszuschließen. Er verlässt sich auf Gottes Zusage, dass Hagar und dem Kind nichts geschehen werde. Aber dann ist der Ziegenbalg mit Wasser leer. Lange bevor ich selbst Vater wurde, hat mich diese Szene ergriffen: wie Hagar ihr zum Verdursten verurteiltes Kind ins Gestrüpp legt und sich 100 Meter weiter weinend fallen lässt, weil sie diesen Tod nicht mit ansehen kann.

Aber Gott hält Wort und rettet das Kind – so wie später auch seinen Bruder, als der schon auf dem Altar liegt und geopfert werden soll. Mit Engelhilfe entdeckt Hagar ein Wasserloch. Und damit beginnt das gerettete Leben eines Stammvater, zu dem auch Ismael bestimmt ist.

Flüsse, Brunnen, nach biblischer Ordnung sind sie Gottes Gaben und zugleich Orte, wo das Recht regiert. Nur mit Hilfe des Gottesrechtes, von Menschenrecht damals nicht zu trennen, ist genug für alle da. Wasser ist immer beides: elementares Geschenk zum Leben, mehr als das: Quelle für Lebensfreude. In dieser Bedeutung reichlich von der Werbung ausgeschlachtet; ob da ein Rennfahrerheld sein angebliches bevorzugtes Mineralwasser anpreist – oder ob sich eine junge Frau lustvoll im Wasserfall räkelt, nur um anschließend die Installation eines Bidets im Badezimmer zu empfehlen.

Jesus ist da entschieden glaubwürdiger: er wäscht seinen Freunden vor der Mahlzeit die Füße; nicht als goldglänzendes Ritual, sondern als wirkliche Dienstleistung, die man zu seiner Zeit müden Leuten erwies. Und er erklärt das Glas Wasser für den Durstigen zum handfesten Beispiel für die Liebe, die das Leben regieren soll.

Das ist Wasser im Alltag. Aber seit den Brunnenkonflikten zu Zeiten Abrahams gehen Wasser und Recht zusammen. So wie unser weltliches Recht ein eindeutiges Fundament hat: die Volkssouveränität und den Vorrang der Menschenwürde. So hat das Gottesrecht ebenso eine einfache Basis: „die Erde ist des Herrn und was auf ihr vorhanden ist!“ Das ist so und bleibt so. Gott teilt Erde und auch Wasser, überhaupt irdischen Besitz, nur treuhänderisch zu. An seinem Eigentumsvorbehalt hält er fest. Ganz gegen unser Bürgerliches Gesetzbuch. Das erlaubt dem Erfolgreichen unter dem Schutz des Rechtes Reichtümer aufzuhäufen, solange er seine Steuern bezahlt und nicht des Betruges überführt wird.

Ebenso zweifelsfrei gilt diese biblische Norm: Gottes Recht ist immer ein Recht zum Schutz der Schwachen. Ihre Gebete, ihre Hilfeschreie haben „im Himmel“ zwingend eine höhere Priorität, als die religiösen Übungen der Menschen auf der Sonnenseite des Lebens. Klipp und klar ausgesprochen: Gottes Recht ist keineswegs so unparteilich „blind“, wie uns das von weltlichen Gerichten wünschen.

Schließlich, Jesus, der Erfüller des Gesetzes, schickt seine Botinnen und Boten zu allen Mitmenschen; ohne Ansehen der Person, der Religion, der Tradition. Im Gepäck haben wir alle das „neue Gebot der Liebe und der Gerechtigkeit“; wie ein Grundgesetz des Glaubens. Das neue Gebot, das die alten Gebote des Gottesrechtes auslegt, so dass sie das Leben, das Zusammenleben gelingen lassen.

So wird es uns Christenmenschen vergleichsweise leicht fallen, das Menschenrecht auf das tägliche Wasser ernst zu nehmen und im öffentlichen Leben zu verteidigen.

Seit die Kluft zwischen Arm und Reich in unserem Land breiter und breiter wird, gibt auch bei uns ein paar tausend Menschen, die ihren Wasserkran nicht mehr aufdrehen können. Die Stadtwerke haben ihnen wegen armutshalber unbezahlter Rechnung die Leitung gesperrt.

Aber es bleibt dabei: die nahezu zwei Milliarden Menschen ohne ausreichendes und genießbares Trinkwasser leben jenseits unserer Grenzen und unseres Erdteils. Direkt, mit Wassereimer und Gartenschlauch, nehmen wir ihnen nichts weg. Und von unserem reichlichen Wasser ein paar Supertanker voll irgendwo hin schicken? Das ist ja wohl wider jede Vernunft.

Nein, erst wenn wir vom „Virtuellen Wasser“ sprechen, kommen wir an bei einer Gerechtigkeitsfrage, die uns tatsächlich betrifft. Wasser, virtuell, für uns unsichtbar, aber eben doch höchst real.

Ein Beispiel: eine einzige Tomate aus den südspanischen Plastik-Gewächshäusern schluckt 13 Liter Wasser bis sie gepflückt und nach Magdeburg transportiert wird. Unser jährlicher pro Kopf-Verzehr addiert sich da schon auf 400 Eimer Wasser für eine einziges Produkt der industriellen Landwirtschaft. Zurück bleibt Europas erste vom Menschen geschaffene Wüste.

Ein einziges Kilo Plantagenbananen hat bis in unseren Supermarkt schon fast 900 Liter Wasser geschluckt; das meiste davon gründlich vergiftet. Denn ein Gutteil dieses Süßwassersees geht dafür drauf, die Früchte vor der Reise von einem Teil der Agrargifte zu säubern, ohne die auf der Plantage nicht geht. Dabei eignen sich gerade Bananen vorzüglich für den Bio-Mischanbau; seit vielen Jahren kräftig gefördert von der Aktion „Brot für die Welt“. Der Vertrieb der 1a-Ware erfolgt durch die unserer Kirche nahestehende Fairhandels-Organisation „Banafair“. Viele clevere Gemeinden fungieren als Verkaufsstellen.

Aber Spitzenwerte sind das noch lange nicht: ein Kilo Industrie-Rindfleisch ohne Knochen kostet Menschen Tiere und Bäume in fernen Weltgegenden etwa 15.000 Liter Wasser; etwas anschaulicher, rund 1.500 Eimer voll, die sich nicht in dieser Kirche aufstellen ließen. 98% davon gehen für die Erzeugung des Futters – Getreide und Soja – drauf.

Der gesamte Produktionsprozess eines Autos, z.B. Aluminiumgewinnung, Kunststoffe, Elektronik, schluckt errechnete 400.000 Liter Wasser. Oben drauf kommt dann noch, was z.B. der vorgeschriebene Biosprit-Anteil im Tank kostet.

Sage niemand von uns, diese Mengen von der Tomate, über den Computer bis zum Flitzer seien eben nötig. Da ließe sich nichts machen. Ungeheuer viel lässt sich tun und unterlassen, von uns allen miteinander. Das eigentlich Schockierende: der Satz „Hunger ist kein Schicksal – Hunger wird gemacht“ muß längst ergänzt werden durch den Satz „Durst und Dürre sind kein Schicksal – Durst und Dürre werden gemacht.“ Menschheit und Schöpfung können nicht leben mit der hierzulande unsichtbaren ungeheuren Wasserverschwendung der Supermarkt- und Autohaus-Nationen.

 Gottesrecht und Menschenrechte geben die Richtung vor, in die wir zusammen mit allen verantwortungsbewussten Zeitgenossen gehen müssen. Damit der schreckliche Tag nicht kommt, an dem wir nicht mehr den Becher Wasser reichen können, mit dem ein Mitmensch seinen Durst stillen möchte.

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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