Der Kollektengroschen und das Gratis-Evangelium


Grüß Gott, liebe Christenmenschen,

unser Kirchmeister rechnet genau, auf Heller und Pfennig. Deshalb ist mir die ganze Angelegenheit etwas peinlich. Aber was gesagt werden muß, das muß gesagt werden. Letzten Sonntag hat er eine falsche Kollektenabrechnung unterschrieben. Und ich wäre um ein Haar das Opfer geworden.

Da lausche ich unter dem Tisch in der Sakristei. Eine Kirchenmaus kann nämlich bei Kollektezählen den Klang eines Groschens mühelos von einem Markstück oder einem Heiermann unterscheiden. Außerdem plaudern kollektezählende Presbyter hoch interessante Informationen aus. Wie gesagt, ich fröne meiner lieben Gewohnheit und merke gar nicht, daß ich mich zu weit in Richtung Tischkante hervorgewagt habe. Plötzlich saust ein schwerer harter Gegenstand auf mich herunter. Wäre ich so langsam wie ein Christenmensch, wer weiß, wer weiß… Der Groschen hätte mich womöglich erschlagen. Unfalltod bei Kollektenzählen‚ kein besonders eindrucksvolles Ende für eine Kirchenmaus. Aber es ist ja noch einmal gutgegangen.

Der Groschen liegt immer noch unterm Tisch, Ihr könnt nachschauen. Natürlich habe ich an dem Groschen mal geschnuppert: typischer Erwachsenengeruch. Mir ist sogar ein ziemlich teures Deo in die Nase gestiegen. Also hat da wieder einmal ein normal verdienender Christenmensch seine überzähligen Groschen in den Kollektenbeutel entsorgt. Irgend jemand müßte diesen Spendern mal erklären, daß Jesu Kommentar zum Scherflein der Witwe nur auf Leute zutrifft, die auch genauso arm dran sind wie diese Frau. Oder daß ein Groschen von l920 heute einem Zwei-Mark-Stück entspricht. Na ja, und wie ich da unterm Tisch meinen speziellen Groschen betrachte, da höre ich oben die verwirrte Frage: Was soll ich denn hiermit machen? Zehn mexikanische Pesos! Wieder diese Unsitte. Wertloses ausländisches Kleingeld aus entfernten Weltgegenden dem Herrn anbieten. Wer aus Wasser Wein machen kann, kann ja vielleicht auch 10 mexikanische Pesos in fünf Pfennig verwandeln.

Ich hab mir die Sache durch den Kopf gehen lassen, liebe Christenmenschen: das Evangelium ist gratis, garantiert. Wenn ihr knapp bei Kasse seid oder keinen Bock auf’s Spenden habt, laßt das Portemonnaie stecken! Damit spart Ihr den Presbytern viel Zeit beim Groschenzählen und wir Kirchenmäuse leben auch sicherer. Nichts für ungut‚

Eure Kirchenmaus