Hahnenschrei am Karfreitag

Grüß Gott, liebe Christenmenschen,
die Küchenmädchen im Palast des Hohenpriesters nannten ihn Samson, denn er war fürwahr eine heldenhafte Erscheinung, groß und prächtig. Sein leuchtendes Gefieder erinnerte ein wenig an die Haarpracht des Philister-Bezwingers. Wirklich, es gab keinen prächtigeren Hahn weit und breit. Mancher Pferdeknecht, der sich an seinen Hennen vergreifen wollte, hatte schon unangenehme Bekanntschaft mit Samsons Schnabel gemacht. Samson nahm sein Amt als Chef der Hühnerherde aber auch wirklich ernst. Kein Tag, an dem die hohenpriesterlichen Küchenmäuse nicht Zeugen gewesen wären, wie Samson die erste Aufhellung der Nachtschwärze mit seinem Krähen anzeigte.

In der Nacht zum Karfreitag ist das nicht anders gewesen. Samson hat überhaupt nicht gemerkt, was er anrichtete, als er sich aus seiner Schlafstellung hochrappelte und den Hals lang machte, um seinen Herrschaftsanspruch über des Kaiphas Hühnerhof anzumelden, sicherheitshalber gleich zweimal.

Heute wissen wir´s. Der Gockel Samson war ein Werkzeug unseres lieben Herrn. Sein Hahnenschrei ging dem Petrus durchs Herz. Der hat sich eine dunkle Ecke gesucht, um sich auszuheulen. Aus eigener Kraft hat er es nicht vermocht, unserm lieben Herrn treu zubleiben. Das tat weh. Aber was Samson mit seinem Morgenruf da ausgelöst hat, ist kein Sonderfall Petrus. Wie schon unser verehrter Dr. Martinus sagt: „Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann.“

So gesehen hätte es Freund Samson eigentlich verdient, in die Ehrengalerie der Kirchenlehrer aufgenommen zu werden. Wir Kirchenmäuse gönnen es ihm. Aber welcher Christenmensch hört heute noch auf einen Gockel, von einer piepsenden Kirchenmaus ganz zu schweigen. Unser lieber Herr war da anders. Er hat sich eine ganze Arche voller Tiere als Predigthelfer herangeholt. Wer es nicht glauben will, sollte mal wieder Neues Testament lesen.

Was aus Samson, dem Herzensüberwinder geworden, wollt Ihr wissen? Also in unsern Kreisen erzählt man sich, er sei nicht etwa im Kochtopf des Hohenpriesters geendet. Vielmehr hätten ihn einige der ersten Christenmenschen dem Küchenmeister lebendig abgekauft, um ihn dem Petrus zum Geburtstag zu schenken. Von da an soll er Simon und nicht mehr Samson geheißen haben. Und bis zu seinem letzten Lebenstag hat er herausposaunt, daß der Glaube nicht unsere Leistung, sondern ein Geschenk ist.

In diesem Sinne, Kikeriki!
Eure Kirchenmaus