Empfangen durch den Heiligen Geist

Apostolisches Glaubensbekenntnis (4)

02.03.2014

„Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“

Zwei kurze Sätze religiöse Gynäkologie. Fragen wir die Gynäkologin um die Ecke, ob das so klappen kann, dann wird sie den Kopf schütteln. Aber wir werden nicht aufhören, die beiden Aussagen über den Ursprung von Jesus Christus in jedem Gottesdienst wie­der über unsere Lippen zu bringen – immer wenn wir das Aposto­lische Glaubensbe­kenntnis sprechen. Wir sollten wissen, was wir da sagen, und warum.

Wenn wir die Jesus-Geschichten in den vier Evangelien lesen, was er sagt und tut, wie die Menschen es aufnehmen, wie sie mit ihm umgehen, sein eigenes alltägliches Verhalten, schließlich sein Leidensweg bis zum Kreuzestod – dann kämen wir nie auf die Idee, es mit einem unnatürli­chen Gott-Menschen zu tun zu haben. In den Zeugnissen über den erwachsenen Jesus von Nazareth findet sich dann auch keine einzige Anmerkung, die auf die sogenannte Jungfrauengeburt Bezug nähme. Auch in jenen Paulus-Briefen, die als die ältesten Teile des Neuen Testaments gelten, kommt dies Bekenntnis nicht vor.

Die Grundlage bilden zwei Erzählungen aus den sog. Kindheitsgeschichten, die eine bei Lukas, die andere bei Matthäus. Beide Male sind Engel die Mittler zwischen Gott und Mensch. Bei Lukas ist es die zarte Geschichte von der Ankündigung der Schwanger­schaft und Geburt an die Jungfrau Maria. Diesmal muss der Begriff „Jungfrau“ betont werden, denn sie fragt ja selbst nach, wie sie denn als Unverhei­ratete überhaupt schwanger werden könne. Eine Frage, die in religiösen Gesellschaf­ten mit harten Gesetzen durchaus Sinn macht, bis heute. Das andere Mal, bei Matthäus, muss der zögerliche Josef überzeugt werden, die nicht von ihm schwan­gere Maria zu heiraten. Auch dazu bedarf es der Überzeugungskraft eines Engels.

Lassen wir jetzt alles beiseite, was über die beiden kurzen Sätze des Glaubensbe­kennt­nisses hinaus in der frühen Kirche im Laufe der Generationen an Lehraussagen über die besondere Herkunft Jesu Christi festgeschrieben worden ist – bis hin zu den päpstlichen Dogmen des 19. Jahrhunderts. Da war den Kirchenvätern z.B. ein unna­türlicher, die Jungfräulichkeit wahrender Geburtsvorgang und die anschließen­de lebenslange Jung­fräulichkeit der Mutter Jesu wichtig – das, obwohl Maria und Josef den Evangelisten Matthäus und Markus zufolge kinderreich waren. Vier leibliche Brüder Jesu werden sogar namentlich erwähnt, seine Schwestern nur kollektiv.

Martin Luther winkte ab. Ihm war nur das wenige wichtig und wertvoll, was unser Glaubensbekenntnis sagt. Er weigerte sich, die Christenmenschen mit den weiter­gehenden Marien-Lehren, die in der katholischen und in der orthodoxen Christen­heit gültig sind, zu belasten. Aber was war ihm da wichtig? Was müssen wir prüfen, ob es auch uns wichtig und wertvoll geblieben ist? Vorab: dabei geht es nicht um Biologie im heutigen Verständnis.

Zum Vergleich: kein nationalbewusster Japaner geht davon auf, dass sein Staatsober­haupt, der Kaiser, japanisch Tenno, im Sinne moderner Biologie ein Ur- Ur- und noch viele Mal Ur-Enkel des Sonnengottes ist. Er glaubt das, weil er das Kaisertum als Ausdruck eines exklusiven Segens für das Volk, dem er angehört, empfindet.

Und wenn ich meine Frau einen Schatz nenne, dann nicht, weil ich ihren Wert bei der Einkommensteuer angeben muss, sondern weil meinem Herzen danach ist. So auch die Erzählungen von der Jungfrauengeburt: damals, um die Zeitenwende eine Ausdrucks­form für wertvolle Glaubenserfahrungen, die nicht außergewöhnlich war. Die Glaubens­welten waren voll von Heilsbringern, denen man nachsagte, sie seien aus der Verbin­dung von göttlichen und menschlichen Elternteilen hervorgegangen. Das Interessante daran war weniger der Sex als die ungeheure Wirkungsmacht, die diesen Gott-Menschen nachgesagt wurde.

Und unsere christlichen Ureltern wollten und mussten ja ausdrücken, dass Jesus von Nazareth für sie zu demjenigen geworden ist, durch den Gott alles einlöst, was er je versprochen hat. „Gott mit uns“ so deutet der Engel dem zögernden Josef Namen und Bedeutung des Kindes, das seine Verlobte erwartet. Und Maria hört die Prophe­zeiung „Sein Reich wird kein Ende haben“. Jesus von Nazareth, der von Gott selbst Gesalbte, auf hebräisch der Messias, auf griechisch der Christus!

Nicht was Jesus von Nazareth biologisch ist, soll das Bild von der Jungfrauengeburt ausdrücken, sondern was er für den Glauben bedeutet: Gott selbst tritt an unsere Seite, an meine Seite, in mein Leben – durch die Stimme, die Taten, die tapfere Liebe eines einmaligen Mitmenschen.

Das mythologische Bild von der Empfängnis durch den Heiligen Geist wird zwar heute auf den Satire-Seiten linker Zeitungen gern durch den Kakao gezogen – vor allem, wenn männliche Berufschristen sich wieder einmal schändlich daneben benommen haben.

Aber unsere Vorfahren haben das Bild verstanden. Der Mythos passte in ihre Zeit. Der beschriebene Weg des Göttlichen in die Menschenwelt schien glaubhaft, nicht naturkundlich, sondern lebenskundlich. Und der eine knappe Satz von der Emp­fängnis durch den Heiligen Geist klingt dann so zurückhaltend asexuell, wie das Gottesbild Israels es zwingend verlangt. Kein Hauch von der Sinnenfreude des Olymp!

Und Maria, die Jungfrau? Sie ist weder ein Hascherl noch eine Süße. Lukas über­liefert ihr triumphierendes, kämpferisches Loblied auf den Gott, der sich einmischt zum Heil der Niedrigen und der Hungrigen, das Magnificat. Eine Schwangerschaft mit Ansage!

Ich war immer bewegt und ein Stück reicher, wenn ich auf verschiedenen Kontinen­ten Frauen getroffen habe, die Schwestern dieser von mutiger Hoffnung erfüllten Maria hätten sein können. Viele wie sie, anfangs ganz auf sich gestellt, so wie einst diese ledige Schwangere, aber mit unzerbrechlichem Vertrauen.

„Empfangen durch durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“. Sagen wir es so: unser Bekenntnis gilt nicht dem zeitgebundenen Bild, sondern dem zeitlosen Inhalt. Und der lautet: Gott selbst hat den Himmel geöffnet, von oben nach unten – und das ist schon wieder ein Bild. Bei Gott lag die Initiative, seinen Men­schen und mir persönlich nahe zu kommen. Wir können Gott nicht ins Haus fallen. Aber er kann sich in diesem unendlichen Kosmos auf den Weg zu uns machen und dauerhaft bei uns bleiben. Nicht auf kurzem Staatsbesuch, sondern so alltäglich, wie es sich ergibt durch eine Geburt im Haus nebenan.

Wer von euch dennoch nach anderen Bildern für die liebevolle Annäherung Gottes sucht, der kann ja den anderen Geschichten-Typ auf sich wirken lassen, der densel­ben Zweck erfüllen soll. Ich meine die Überlieferung von der Taufe des erwachsenen Jesus von Nazareth im Jordan. Ein Mensch wie du und ich. Aber nach der Taufhand­lung ereignen sich Vision und Audition, wie man das wohl nennen muss. Der Him­mel öffnet sich, die Vision einer Taube erscheint, und eine Stimme wird hörbar. „Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören!“ Gott selbst öffnet den Himmel von oben nach unten und macht unmissverständlich klar, wo er zu finden ist in der Menschenwelt.

Sowas gibt’s, wird mancher sagen, dass Menschen Stimmen hören und Visionen haben. Aber Leute mit Visionen will unser kettenrauchender Altbundeskanzler ja zum Arzt schicken. Auch am Jordan wird die Stimme Gottes nicht über den Lautsprecher gegangen sein. Solche Stimmen hört man nur mit dem Herzen.

Darum, ob Jungfrauengeburt oder Gottes Stimme am Jordan: beides bedeutet dasselbe, nämlich Gottes Kurzmitteilung. Mein liebes Menschenkind, ich wollte dir nur sagen, wo du mich findest, wenn du mich finden möchtest: bei Jesus.