Das Gleichnis vom Senfkorn

Sexagesimae, 3. Februar 2013

Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Senf­korn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, sodass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.

(Matthäus 13, 31-32)

Jesus ohne seine Botschaft vom Himmelreich, vom Reich Gottes, das ist unvorstell­bar. Diese Sehnsucht, diese Hoffnung will er mit allen teilen, denen er begegnet. Dieses Himmelreich, das ist keine Ortsangabe, die man im Navi überprüfen kann. Der würde uns nur in den bekannten Ort „Himmelreich“ im Salzburger Land führen, wo die ganze Weihnachtsmann-Post hingeht. Oder wahlweise und etwas näher in ein Dorf, das heute zu Neustadt am Rübenberge gehört. Oder auch, den alten Bildern von der Welt folgend, in den erdnahen oder ferneren Welt­raum, wo sich vieles findet, nur nicht der Himmel unseres Glaubens.

„Himmelreich“ im Mund Jesu, das ist etwas ganz Einfaches – aber zugleich nichts, was sich packen und eintüten lässt.

Das Einfache: Himmelreich, das ist die Wirklichkeit, in der Gottes guter Wille wieder geschieht, ungehindert durch verstockte Menschenherzen. Wo? Wie Jesus es im Vaterunser sagt: im Diesseits und in einer künftigen Welt, „im Himmel und auf Erden!“ „Mitten unter euch“, sagt Jesus auf entsprechende Nachfrage.

Himmelreich: Jesus verkündet die anbrechende Zukunft, in der die Tränen abge­wischt sind, weil Gott selbst sie abgewischt hat; in der das Unrecht überwunden, der Hunger gestillt, der Krieg in Vergessenheit geraten ist, weil Gottes Lebensregeln vom Anfang der Schöpfung wieder gelten, weil sie wieder gelten können, nachdem die Menschen die Vergebung ihrer Schuld angenommen haben.

Wir dürfen annehmen, dass Jesu Ausrufung des noch heimlichen, aber schon anwe­sen­den Himmelreiches damals schon viele Menschen gepackt hat. Diese Sehnsucht ist für lebenserfahrene Menschen ja auch wirklich nicht unverständlich. Eine Welt, in der der Wille meines liebenden und gerechten Gottes wirklich geschieht – wer unter uns wünschte sich das nicht?

Ich bin mir sicher, es sind die Fragen von Menschen, die dem Himmelreich-Verkün­der Jesus zuhören, voller Hoffnung und Zweifel, die ihn immer wieder anspornen, beinahe kriminalistisch Spuren dieser Hoffnung im Alltag suchen und festzuhalten.

Das sind die berühmten Reich-Gottes-Gleichnisse, von seiner Durchdringungskraft, seiner Überraschungskraft, seiner Kostbarkeit, wenn wir sie ein wenig sortieren wollten. Das Senfkorn-Gleichnis gehört zu denen, die uns die unbändige Durchdrin­gungskraft des „Himmelreiches“ nahe bringen.

Machen wir es uns etwas leichter und sehen uns die winzigen Samen des Schwarzen Senfs selbst an. (Gläschen mit Senfsamen herumreichen) Das ist die Nutzpflanze, die Jesus meinte, die seine Zuhörer aus ihren Gärten kannten (bei uns Zwischenfrucht zur Bodenverbesserung). Kein Baum, sondern nur ein einjähriges Kraut. Aber wenn der Gärtner es nicht hindert, wird es zwei Meter hoch. Und ausgewachsen können die Vögel eine Menge damit anfangen.

Wir Dorfleute des Jahres 2013 haben es etwas leichter als unsere Nachbarn in Magde­burg. Viele von uns nehmen noch Samen in die Hand. Wir haben noch die Erfahrung und das Vertrauen, auf das Jesus die Leute anspricht. Aus winzigen Partikeln werden dicke Möhren, weil die Kraft zum Leben in ihnen steckt. Das ist das krasse Gegenbild zu dem ebenfalls winzigen verborgenen PC-Virus, der nicht nur wirtschaftlichen Schaden verursacht – sondern in der Welt von heute gewalti­ges tödliches Unheil anrichten kann.

Das Himmelreich in uns und um uns: es beginnt winzig, unscheinbar. Nichts ist leichter, als es komplett zu übersehen. Aber „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ steckt im Ursprung, der Liebe Gottes zu seiner Schöpfung und zu denen, die er in die treuhänderische Verantwortung gesetzt hat.

Bleibt die Frage nach dem Acker, der fruchtbaren Erde, von der jedes Wachstum, jede Ernte abhängt. Ein Bild, das Jesus wieder und wieder gebraucht, weil es so nahe liegt – näher, als es uns im Supermarkt gegenwärtig ist. Du selbst, dein Leben ist so ein Ackerstück, auf dem das Senfkorn, das unter dem Fingernagel Platz hat, zum großen Busch wachsen kann. Dafür stehen all die geplagten, vom Leben gebeutelten Menschen, denen Jesus bestätigt hat: „Dein Glaube, dein Vertrauen zu dem Gott, der es gut meint, hat dir geholfen.“

Was für einzelne, einmalige Menschen gilt, das gilt auch für uns, die einzelne, einma­lige Gemeinde Jesu. Da, wo Jesu Zuspruch die Angst vor der Welt, vor ihrer Meinung, vor ihrem Kopfschütteln nimmt, da hat das Wachstum des Senfkorns Gemein­de begonnen, mit der ersten Zellteilung sozusagen.

Es gibt Visionen von Kirche, die zur Realität geworden sind und werden, die uns Mut machen, das Senfkorn Weltkirche nicht wegzuwerfen. Zum Beispiel: ich denke oft an das Zeugnis der Tat, das die Kirchen der Quäker in unserer Welt der Kriege ablegen. Weil sie seit Generationen in der Nachfolge Jesu jeder Form von Krieg und Kriegsdienst den Gehorsam verweigern, können sie an vielen Orten helfen und trösten, wo niemandem sonst der Zutritt gewährt wird.

Darum ruft uns Jesus zu: „Das Himmelreich ist nichts, was du auf einem Zuschauer­platz erwarten könntest, wie eine Supershow. Das Himmelreich kann nur wachsen, wenn du bereit bist, als Senfkorn zu leben. Dein Gott wird dich das Stück Acker finden lassen, an dem du Wurzeln schlagen und Früchte bringen kannst.

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