Siehe, ich will ein Neues schaffen

Heiligabend, 24. Dezember 2006

Jahreslosung 2007

Gott spricht: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf; erkennt ihr´s denn nicht?

Jesaja 43,19


Dieser Satz stammt nicht aus der Weihnachtsgeschichte. Er ist ein halbes Jahrtausend älter. Er gehört zu den prophetischen Reden, in denen die frühen Christen später Ankündigungen und Deutungen des Werkes Jesu entdeckt haben. Zwischen heute und dem Heiligen Abend 2007 werden wir diesen Satz des Jesaja in unserer Gemeinde öfter zitieren. Denn er ist zum biblischen Leitwort für das Jahr 2007 gewählt worden.

Wer zu Hause eine Bibel in Benutzung hat, mag sich den Zusammenhang anschauen, in dem dieser Ruf steht: Israel ist am Boden, das Gemeinwesen und, wie es bei natio­nalen Katastrophen meist der Fall ist, auch die einfachen Menschen. Fremdherr­schaft, Zwangsumsiedlung Tausender, Zukunftshoffnung nahe Null. Schluss mit Israel. Und das Schlimmste: die Katastrophe ist selbstverschuldet. Die Propheten haben über Generationen den Finger in die Wunde des Gemeinwesens gelegt. Wo die Reichen und Mächtigen ihre Interessen brutal gegen Arme und Schwache durch boxen, kann das auf die Dauer nicht gut gehen.

In diese Hoffnungslosigkeit hinein der Weckruf an die Herzen: „Siehe, ich will ein Neues schaffen; jetzt wächst es auf!“

Das ist ein Wesensmerkmal unseres Gottes: er ist inkonsequent in seinem Zorn. Er mag nicht endgültig Abschied nehmen von dem Liebesverhältnis, das ihn mit den Töchtern und Söhnen Israels verbindet. Von sich aus macht er den Neuanfang.

Kein Wunder, dass die frühen Christen an Worten wie diesem hängen geblieben sind, wenn sie an Jesus dachten. Der alte Jesaja verkündete den Neuanfang Gottes mit seinem kleinen Volk Israel. Jesus – das war Überzeugung der Jüngerinnen und Jünger – ist der Neuanfang Gottes mit seiner ganzen Menschheit.

Wer wollte bestreiten, dass die Geburt eines Kindes einen Neuanfang markiert, und sei es nur für das Kind selbst, das nun lebt und leben will. Aber in Wahrheit ja nicht nur für das Kind. Wir wissen sehr genau, dass der Unterschied zwischen keinem Kind und einem Kind die vielleicht an Konsequenzen reichste Veränderung im Erwachse­nenleben bedeutet. Viele Mitmenschen fürchten sich ja auch offensichtlich vor dieser Veränderung. Armutsrisiko Kind. Josef könnte hinzufügen: Sicherheitsrisiko Kind. Zur Weihnachtsgeschichte gehören eben auch die Killertrupps des Herodes. In manche Familien rund um Bethlehem bringen sie Verzweiflung und Entsetzen. Und die Heilige Familie treiben sie in die Flucht.

Trotzdem: das Bild dieses schlichten Menschenpaares, gesegnet und beauftragt mit der Sorge um das Wohl eines Kindes, findet seinen Platz in unseren Herzen. So konnte Weihnachten zum Fest der Familie werden – und es bleiben, auch nachdem die meisten unserer Mitmenschen in dieser Stadt das Vertrauen auf den Gott der Bibel verloren haben.

Aber das prophetische Deutungswort will mehr in uns wachrufen als die Erinne­rung an die ersten Tage mit unseren neugeborenen Kindern – an unsere Freude, unsere Ungewissheit, unsere Hoffnung an diesen Tagen.

„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf! Erkennt ihr´s denn nicht?“

Als wir vor zwei Jahren die Eine-Welt-Krippe der Aktion „Brot für die Welt“ (Gemeindebrief-Cover) im Kirchvorraum aufgebaut hatten, da ergab sich zunächst zufällig eine Sichtachse zwischen dem Stall aus Pappe und Wellblech und dem traditionellen Kruzifix, das unverändert im Vorraum hängt. Diese Sichtachse wurde für alle, die diese besondere Krippe mit Aufmerksamkeit betrachtet haben, zur wichtigen Deutung von Weihnachten. Das Kind von Bethlehem und der Mann am Kreuz sind ein und derselbe. Das Kind wird als erwachsener Mensch diesen Weg gehen, damit der Wille Gottes auf Erden nicht zum Schweigen gebracht wird.

„Siehe, ich will ein Neues schaffen!“ Neue Lebensregeln, bei denen Vergebung vor Gericht geht; Feindesliebe vor Gewalt; Gerechtigkeit vor Ausbeutung; Barmherzig­keit vor Gleichgültigkeit; die Menschenwürde der Armen vor der Sklaverei des Mammon; die Sehnsucht nach der Güte Gottes vor Rechtgläubigkeit.

Das ist das Neue, das Gott schafft – das er beginnen lässt, als er das Kind Jesus einer Mutter und einem Vater aus dem Volk anvertraut. Neue menschenfreundliche Lebensregeln, an denen sich zugegebenermaßen die Geister scheiden.

Deshalb die Frage am Schluss des Prophetenwortes: „Erkennt ihr´s denn nicht?“ Erkennt ihr denn nicht, dass Weihnachten mehr zu bieten hat als die Bestätigung unserer Sehnsucht nach heilen Familienverhältnissen? Je angeschlagener unsere Hoffnungen sind, je bedrückender unsere Ängste, je lebloser unser Glaube. Mit der Geburt dieses Jesus ergreift Gott die Initiative für den Neuanfang. Ohne, dass er es müsste. Mit den heftigen Gefühlen eines, der uns liebt. Der aus Liebe den richtigen Ton, die richtigen Worte, die richtigen Zeichen findet.

Wenn es nach Gottes Einladung geht, dann soll unser Besuch heute an der Krippe nicht eine Episode bleiben. Schnell wieder verschüttet unter den Sorgen des Alltags. Gott spricht dich und mich an: „Auch wenn dir der Gedanke meilenweit entfernt scheint: lass uns neu miteinander anfangen.“ Wenn es so ist, dann bei einem Nullpunkt des Glaubens. Das ist kein Hinderungsgrund. Denn dieser Jesus wird die Liebe, die Barmherzigkeit, die Gerechtigkeit, die Hoffnung, die von Gott kommt, in dein Leben bringen. Er wird dich ansprechen: „Folge mir nach!“ Er wird dir Aufgaben geben, die den ganzen Mann und die ganze Frau fordern – und die Kraft dazu.

Verbündete dieses Jesus aus der Krippe zu werden, macht frei von den tödlichen Irrlehren unserer Zeit, ist Abenteuer und Geborgenheit zugleich.

Die Herzensgedanken von Maria und Josef, die Hirten vom Rand ihrer Gesellschaft, die Stimmen der Engel, der Erkenntnisdrang der Weisen, sie alle wollen der Einladung Gottes an dich und mich den Weg bereiten:

„Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf; erkennt ihr´s denn nicht?

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