Taufansprache für Götz

Misericordias Domini, 14. April 2013


Franziskus – Franz; Elisabeth – Liese; Friedrich – Fritz; Dorothea – Doris. Wir kennen das, die Umgangssprache verändert auch vertraute Vornamen, passt sie unseren Dialek­ten, dem Strom der Zeit an. So ist es auch unserem Täufling ergangen, auf Beschluss seiner Eltern. Aus Gottfried ist Götz geworden.

Wobei das kein Beispiel ist für diese modische Namensgymnastik, mit der sich Stan­des­beamte und Pastorinnen bei der einen oder anderen Taufe heutzutage herum­schla­gen dürfen, wenn der kleine Michael aus Bitterfeld unbedingt Mike heißen muss – obwohl er damit besser nach Liverpool oder Boston passen würde als nach Sachsen-Anhalt.

Nein, unser Götz ist in der ehrenvollen Liste männlicher Vornamen deutscher Sprache schon ein Altgedienter. Der prominenteste aller Götze (jedenfalls für meine Genera­tion, die noch das volle Programm deutscher Klassiker in der Schule verpasst bekam) hat immerhin vor 500 Jahren sein Wesen getrieben: der von Berlichingen, mit der eisernen Handprothese und dem flotten Zitat, das Meister Goethe ihm ein paar hundert Jahre später in den Mund gelegt hat.

Jüngere Jahrgänge mögen den leicht wirklichkeitsfremden Tatort-Kommissar aus Duisburg bzw. den ehrenwerten Herrn Götz George, der ihn ein halbes Leben lang spielen durfte, für den Ur-Götz halten – aber Irren ist menschlich!

Gottfried und die Kurzform Götz haben sich gehalten. Kein Wunder. Denn Name ist wirklich mehr als Schall und Rauch. Und bei den Vornamen haben wir Eltern ja die Wahl. Meiner Frau und mir ist es da nicht anders gegangen als den meisten von uns, jedesmal, wenn wir wussten, dass wir Eltern werden. Familientradition und erst recht der Heiligenkalender haben zwar als Vorgaben das meiste von ihrem Gewicht verloren. Aber läppisch wie ein Besuch in der Modeboutique ist die Namenssuche für unsere Kinder noch immer nicht – sollte sie jedenfalls nicht sein. Der Vorname ist schließlich so etwas wie der erste Segen, den wir im Vertrauen auf Gott über unser Kind sprechen. Kein Priester oder Pfarrer kann uns dabei vertreten.

Also, in diesen Sinne: Gottfried! Dass da zwei Hauptwörter unserer Sprache zusam­mengefügt worden sind, Gott und Friede, liegt auf der Hand. Aber wohin fliegt dieser Pfeil? Gott ist Friede, seinem Wesen nach? Oder: Gott schenke dir Frieden, als guter Wunsch? Das eine muss ja wohl wohl mit dem anderen zusammen hängen. Man kann ja nur verschenken, was man hat. Ist unser Gott, der, den Jesus von Nazareth mit „Vater“ anredet, aber auch mit „Abba“, also „Papa“, seinem Wesen nach Friede?

Der Zweifel meldet sich augenblicklich. Der erste Teil der Bibel nennt immer wieder Gottes kriegerischen Ehrennamen „Herr der Heerscharen.“ Herr, Gott Zebaoth. Himmlische Heere sind gemeint, weder die Streitmacht des alten Volkes Israel (die wird von den alten biblischen Erzählern eher schon mal lächerlich gemacht, um Gottes eigenes Siegespotential herauszustellen) noch meinen wir – schreckliche Irrlehre unserer deutschen Kirchengeschichte – deutsche Soldaten mit der Parole „Gott mit uns“ auf ihren Koppelschlössern von Kaiser Wilhelm bis zu Hitlers Armee, einem Werkzeug des Völkermordes.

Die himmlischen Engel-Heerscharen bilden schon einen scharfen Kontrast zur Machtlosigkeit irdischer Heere. Aber es bleibt die Vorstellung umso unwidersteh­licherer Gewalt. Es bleibt in den Heiligen Kriegen Israels bei der Eroberung Palästinas eins ums andere Mal das schreckliche Gebot des Banns über alles Lebendige, das durch Gottes Eingreifen in die Hände der irdischen Sieger fällt.

Darum, wenn wir einen kleinen Gottfried oder Götz christlich taufen, dann danken wir für eine erlösende, befreiende Erkenntnis, die erst im Laufe der biblischen Glaubensge­schichte zur Gewissheit geworden ist: da steht unser Mitmensch Jesus von Nazareth der bewaffneten Macht derer gegenüber, die ihn liquidieren wollen. Aber er weist den zurück, der sich mit dem Schwert in der Hand zu seinem Leibwächter machen will:

Stecke dein Schwert an seinen Platz. Denn wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen. Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Divisionen Engel schickte? (Matthäus 26, 52-53)

Wie aber, meint Jesus, könnte so Gottes Wille geschehen auf Erden?

Es ist ein langer Weg durch viele Generationen, der sich in den biblischen Schriften niederschlägt, von den Gotteskriegen Israels, seiner späteren Erfahrung völliger irdischer Machtlosigkeit, von den prophetischen Friedensvisionen von Löwe und Lamm und dem großen Friedensratschlag der Völker – bis zum persönlichen und vollständigen Verzicht auf den Schutz der Waffen im Vertrauen auf den Sieg von Feindesliebe, Vergebung und Gerechtigkeit als gültiger und endgültiger Ausdruck des Wesen Gottes.

Der Friedensgruß Schalom, Salam, Friede sei mit euch – das Volk Gottes auf Erden hat ihn sich hart erarbeiten müssen. „Friede auf Erden“, diese Erkenntnis, dieser Weih­nachtssegen hat auch im Himmel erst wachsen müssen. Friede auf Erden mit den Mitteln des Friedens.

Deus lo vult“, „Gott will es“, der berühmt-berüchtigte Satz, mit dem vor bald tausend Jahren das Entsetzen der Kreuzzüge losgetreten wurde, dieser Fluch und seinesgleichen sind außer Kraft gesetzt. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist durchgestrichen. „Krieg,“ hat dann auch die nichtkatholische Weltchristenheit endlich, 1948, bekannt, „soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Wir arbeiten unverän­dert daran und scheitern immer wieder kläglich. Aber die Aussage steht, weil Jesus hinter ihr steht.

Wir Christinnen und Christen haben keinen anderen Blick für Gott als den Blick Jesu. Für ihn sind Wesen und Wille seines Vaters eins: „Friede auf Erden.“ Friede für die Erde. Darum dieses unmissverständliche „Damals – künftig“

Ihr habt gehört, dass gesagt wurde „Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.“ Ich aber sage euch: „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid.“

Erst Feindesliebe schafft die Familienähnlichkeit, die Wieder-Erkennung zwischen Jesus, seinem Gott und seinen Schwestern und Brüdern.

Gottfried/Götz können wir also nur für beides nehmen: als Bekenntnis zu dem Gott, dem Jesus vertraute, auch um den Preis seines Lebens, und als Segenswunsch für ein alternatives Leben. Alternativ zum hilflosen Vertrauen auf nackte Macht und Sicher­heit, bestehe sie aus Waffen oder aus Wohlstand. Offen für ein Jahrhundert, in dem unsere Kinder als Erwachsene lernen müssen, das Brot der Welt friedfertig miteinander zu teilen und die Schöpfung zu bewahren.

Aus dem Segen kann in diesem Sinn Berufung werden. In berühmte Worte gefasst hat das Franz von Assisi, lange schon vor Götz von Berlichingen: „Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich liebe, wo man sich hasst…“ Heutzutage am einfachsten nachzulesen im Internet.

Und was machen wir mit all den kleinen Mädchen, die wir beim besten Willen nicht mit dem doch sehr männlichen Vornamen Götz rufen können? Eine kleine Friederike ist eine „mit Frieden reich Beschenkte“. Und was ein Leben aus dem Frieden und für den Frieden ausmacht, das können wir unseren Kindern sowieso nur vorleben – ohne allzu viel Worte.

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