Einsatzmöglichkeiten für Leoparden

 

Von Panzern verstehen wir Deutschen was, zwangsläufig. Schließlich haben wir, als Uropa des Führers Uniformrock trug, stolz oder höchst widerwillig, zu Eroberungszwecken auf dies seinerzeit noch ziemlich neue Kriegsgerät gesetzt. Heute hat die Bastelbranche für den Urenkel den Plastik-Modell-„Tiger“, Made in des Führers Germany, im Angebot.

 

Deutsche Panzerbauer scheinen es mit den Raubkatzen zu haben. Der rechtsstaatliche Nachfahr des „Tiger“ heißt bekanntlich „Leopard“. Von deutscher Ingenieurskunst gezeugt im tiefsten kalten Krieg; gewiß nicht ohne Studium historischer Anwendungs-Unterlagen. Inzwischen in der Variante Soundsoviel ein weltoffenes Fahrzeug ohne Fahrziele im Osten. Dafür Stargast auf den globalen Waffen-Expos, der Präsidenten, Scheichs und auch politischen Finsterlingen das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Unser Medaillenplatz in der Weltliga der Mordwerkzeug-Exporte wäre ohne regelmäßige Panzergeschäfte kaum zu halten.

 

Aber jetzt hat es ja wieder mal geklappt. Der Kunde war richtig heiß. Und zahlungskräftig ist er, dem Öl sei Dank, auch. 104 „Leopard 2“ gehen an, – na, an wen? An Indonesien! Sie wissen, wo Indonesien liegt? Stimmt, im fernen Pazifik. Größter Inselstaat auf Erden. 17.000 Eilande, mehrheitlich menschenfrei. Immerhin gut 6.000 bewohnt, vom Format Amrum bis zu Landstücken sehr viel größer als unser bescheidenes Deutschland. Da wird sich schon Parkplatz genug finden für 104 Leos, dazu 50 von diesen praktischen Radpanzern, die die Straßen nicht kaputt machen.

 

Alles klar? Nun ja, mich geht es ja nichts an. Aber an welcher Grenze wollen Indonesiens Generäle denn ihre Leos auffahren lassen? Kampfpanzer brauchen als Daseinsberechtigung ja nun mal einen Feind jenseits der Grenzen, so wie eine Waschmaschine die schmutzige Wäsche. Ich sehe da nur drei Möglichkeiten:

auf der geteilten Insel Timor an der Grenze zum Kleinstaat Ost-Timor. Aber da brauchte es schon ein Strategengehirn unter massivem Drogeneinfluss, um sich hier ein irgendwie glaubhaftes Kriegsszenario auszudenken.

 

Dann hätten wir auf der Rieseninsel Neu-Guinea die Staatsgrenze mit dem unabhängigen Papua-Neuguinea. Ich traue deutscher Ingenieurskunst ja eine Menge zu. Aber dass ein in Europa konstruiertes Riesenfahrzeug in den straßenlosen Wäldern und Bergen von Papua-Neuguinea irgend einen Sinn machen soll, will mir nicht in den Kopf. Außerdem gibt dieses Papua-Neuguinea weniger als 2 Prozent seines kleinen Staatshaushalts fürs Militär aus. Das reicht gerade mal für ein bisschen bewaffnete Unabhängigkeitssymbolik, nicht mehr.

 

Bleibt auf der anderen Rieseninsel Kalimantan/Borneo die Grenze mit Malaysia. Malaysia ist nicht Papua-Neuguinea, wie jedes Handbuch der Weltwirtschaft ausweist. Aber ein zünftiger Panzerkrieg ist in den Gott-sei-Dank immer noch nicht vollständig abgeholzten malaysischen Provinzen auf Kalimantan nicht zu machen.

 

Allein zur Ausstaffierung einer Militärparade am Unabhängigkeitstag sind die Gefährte aus dem Haus Krauss-Maffei vielleicht etwas teuer. Aber darum müsste sich die Zivilgesellschaft, inklusive christliche Kirchen, in Indonesien kümmern.

 

Deutsche Bürgerverantwortung ist gefragt, wenn es um klamm-heimliche Einsatzvarianten geht, bei denen Kanonen und Maschinengewehre auf aufmüpfige Teile des eigenen Volkes gerichtet werden. Was ein ordinärer deutscher Zeitungsleser wissen kann, ist den Damen und Herren, die deutsche Rüstungsexporte politisch durchwinken, allemal sonnenklar. Indonesien mit seinen demnächst 250 Millionen Menschen ist voll gepackt mit Konflikten, die heute hier morgen da Teile der Bevölkerung zum wütenden Protest treiben: eine kleine Auswahl: Zwangsumsiedlungen zum Nachteil Einheimischer; massenhaft ökologische Katastrophen als Folge von Kahlschlag und rücksichtslosem Bergbau; ethnische und interreligiöse Konflikte; Großstadtelend.

 

Da erweitern deutsche Radpanzer ausgezeichnet das innenpolitische Repressionspotential, das Indonesiens Herren vor Jahr und Tag schon mit der Überlassung von 39 kleinen Schiffen der ehemaligen DDR-Marine erworben haben. Und die richtigen Leo-Panzer machen dann auch noch was her – in den Straßen von Djakarta, oder wie die anderen Millionenstädte Indonesiens heißen.

 

Niemandem unter unseren regierenden Genehmigern kann es an diesen Basiskenntnissen gemangelt haben: Indonesien, ein riesiges Inselreich ohne kriegsfähige geschweige denn kriegslüsterne Feinde rund um seinen Horizont. Dafür mit einer Menge erbitterter Interessenkonflikte innerhalb der eigenen Grenzen und einer bereits langen Liste interner Drohkulissen und vollendeter blutiger Waffeneinsätze im Inneren.

 

Wer solchen politischen Geschäftsfreunden eine Schiffsladung voller Leos schickt, sollte wenigstens nicht behaupten, dass „von unserem Land Frieden ausgeht“.

 

Über Harald Rohr

Ich bin Jahrgang 1940 und lebe als ev. Pfarrer i.R. in Niederndodeleben bei Magdeburg. Mehr über mich
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